HACKERS BRAUT
BUCHTIPS
Das Opfer wehrt sich
Der Wiener Computer-Spezialist Paul Schumsky wird von seiner Firma beschuldigt, die zentrale Datenverarbeitungsanlage lahmgelegt zu haben. Um seine Unschuld zu beweisen, muß er in den Untergrund. Die erfolgreiche Rechtsanwältin Vera Salverani versucht, ihm zu helfen - und verliebt sich in ihn („Hackers Braut", Ernst Josef Lauscher, Eichborn, 38 Mark). Mordanschläge, Star-Journalisten, Doppelagenten und Verfolgungsjagden sorgen für rasante Spannung.
PLAYBOY, 7/92
KRIMI
HACKERS BRAUT: Packender Aufruhr in der Donaumetropole
Randale im Hackermilieu: Ein mordverdächtiger Computerprofi taucht in Wiens Underground ab. Mit einer verheirateten Anwältin im Schlepptau startet er eine blutige Tour de force. Autor Ernst Josef Lauscher findet in seinem Roman exakt den schrillen Ton, um einen Krimi zwischen Donau-Mafia und Agentenpack raffiniert zu verkabeln, und das mit Hochspannung.
Autor: Ernst Josef Lauscher. Verlag: Eichborn. Preis: DM 38,-
Salto Nr. 2/8. Jänner 1993
IM LABYRINTH DES BÖSEN
Auf der Jagd nach einem Phantom: dem österreichischen Krimi. Von Wolfgang Huber-Lang.
Einer (der Krimi-Autoren) ist der Filmemacher Ernst Josef Lauscher. Sein im Frühjahr erschienener Erstling „Hackers Braut" (Eichborn Verlag), ein „Wiener Labyrinth des Bösen", bietet 400 Seiten pralle Spannung, Sex und Crime auf höchstem Niveau. Eine Geschichte, in der Wien nicht Provinzidylle, sondern Weltstadt ist. Hier stehen nicht die Aufklärer, sondern der (vermeintliche) Täter im Mittelpunkt. Ein durchgedrehter Computerspezialist würde gerne dahinterkommen, ob er tatsächlich für Industriesabotage und Mord verantwortlich ist. Dabei scheinen ihm aber die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit durcheinander zu geraten. Real bleiben lediglich die zehn Leichen, die seinen Weg säumen, Leichen, für die sich der Autor mit spürbarer Lust die unterschiedlichsten Todesarten einfallen ließ. „Natürlich hat jeder Mensch Phasen, wo er aggressiv und voller Haß ist. Man muß sich klar sein, daß man diese dunklen Seiten hat, das macht uns erst zu ganzen Menschen", meint Lauscher, für den Krimi allerdings mehr ist als Selbsttherapie: „Das Krimi-Motiv ist ein Mittel, die Extreme in einer Gesellschaft aufzuzeigen. Und die liegen immer dort, wo die Gewalt stattfindet." So kann „Hackers Braut" durchaus auch als Technologiekritik gelesen werden, getreu Grissemanns Befund: „Gesellschaftliche Themen werden immer als erstes von Krimi-Autoren aufgenommen. So war es beim Umweltthema, bei Aids und nun bei der deutschen Wiedervereinigung."
Ernst Josef Lauscher HACKERS BRAUT, Eichborn, 249,6O
Wenn sich eine attraktive Rechtsanwältin in ihren Klienten verliebt, der noch dazu unter Mord-verdacht steht, ist für Komplikationen gesorgt. Dieser packende Krimi aus der Welt der Computer-spezialisten und Geheimdienste ist die ideale Ferienlektüre und ein Beweis dafür, daß es auch in Österreich fähige Kriminalromanschreiber gibt.
Empfehlungen für Büchereien, Deutschland
Hackers Braut. Ein Wiener Labyrinth des Bösen. Frankfurt: Eichborn 1992. 406S. geb. öS297.
Hurra, es gibt ihn - den literarischen Wiener Kriminalroman. Doch kein „Dritter Mann" oder „Kottan" macht die Donaumetropole unsicher, sondern der skurrile Computerspezialist Paul Schumsky. Ein Mann mit beachtlichen sexuellen Qualitäten und dem Hang, immer wieder einem längst verstorbenen Aborigine in Wien zu begegnen. Eben dieser Schumsky steht unter Mordverdacht. Doch die faszinierend schöne Rechtsanwältin Vera steht ihm zur Seite und versucht mit Klauen und Zähnen, ihren Geliebten (sie war nicht fähig, diesem Mann zu widerstehen... ) zu retten. Ein sprühendes Feuerwerk von surrealen Einfallen und überraschenden Wendungen. BS118 931056
Literatur Report 7/92
Hackers Braut
Kriminalroman. 408 Seiten, Hardcover, 38,— DM. Eichborn Verlag
Dem Computerspezialisten Paul Schumsky wird von seiner Firma, dem Weltkonzern Factorship Inc., vorgeworfen, die zentrale Datenver-arbeitungsanlage lahmgelegt zu haben. Was schwerer wiegt: ein paar Schritte von seinem Arbeitsplatz entfernt wird die Leiche des Portiers im Papiercontainer gefunden. Der Körper ist regelrecht zertrümmert, er scheint aus dem zehnten Stock gestürzt. Um seine Unschuld zu beweisen, muß Schumsky in den Untergrund. Die erfolg-reiche und schöne Rechtsanwältin Vera Salverani versucht ihm zu helfen. Eine 1eidenschaf1iche Liebesaffäre ist die Folge, und der Fall wird immer verwickelter. Star-Journalisten, korrupte Privat-detektive, Doppelagenten, Mafiosi und rachsüchtige Ehemänner sor-gen für weitere Mordanschläge, Verfolgungen, Lauschangriffe, Ein-brüche und eine fast ins unerträgliche sich steigernde Spannung.
Dennoch ist dieses Buch mehr als ein Kriminalroman. Es ist eben sosehr ein Sittenroman über die Geheimdienstmetropole Wien. Daß Spannung und außerordentliche literarische Qualität nicht im Widerspruch zu stehen brauchen, hat der Autor mit diesem Werk eindrucksvoll bewiesen.
Wirtschaftswoche Nr. 15/8 1993
Ein Loch in der Welt von Wolfgang Huber-Lang
Der Filmemacher und Selbstdarsteller Ernst Josef Lauscher hat die Seiten gewechselt: Er schreibt Kriminalromane.
Filmregisseur in Österreich - nicht unbedingt ein Beruf, eher Nebenerwerbstätigkeit oder kost-spieliges Steckenpferd. Die simple Rechnung aufs Exempel macht Ernst Josef Lauscher aus Erfahrung: „Die jährlichen Förderungsmittel betragen insgesamt etwa 180 Millionen Schilling. Für einen Film kann man um die 15 Millionen Schilling Budget rechnen. In Österreich gibt es an die 40 Kollegen, die Kinofilme machen wollen. Also kann man sich leicht ausrechnen, wie oft jeder drankommt: höchstens alle drei Jahre einmal."
Der 45jährige Wiener weiß, wovon er spricht - seit seinem vielbeachteten Debüt „Kopfstand" (1981) konnte er ganze zwei große Filmprojekte realisieren: die 1982 gedrehte Komödie „Zeitgenossen" und die Kriminalfarce „Das tätowierte Herz" (1991). Für den (vorläufig) letzten Film betrug seine Gage ganze 350.000 Schilling -„Brutto und für drei Jahre Arbeit! Also ungefähr soviel wie ein Arbeitsloser. Das zeigt ja deutlich, daß man sich was einfallen lassen muß!"
Lauscher hat sich etwas einfallen lassen. Anders als die meisten seiner Kollegen verfiel er jedoch nicht auf das Nächstliegende - die Werbung. Er besann sich vielmehr einer Tätigkeit, die er bis dahin zwar manisch, jedoch nie um ihrer selbst willen betrieben hatte: das Schreiben. „Alle Filme, die ich gemacht hab', hab' ich selber oder gemeinsam mit meinem Co-Autor Peter Berecz geschrieben. Seit 1975 schreib' ich ununterbrochen Exposés, Treatments und so etwas. Davon weiß natürlich niemand, denn ganz selten läßt sich was realisieren. Alles andere kann man dann in den Kübel schmeißen. Irgendwann hab' ich mir gedacht: Einmal muß damit Schluß sein - wenn ich eine gute Geschichte hab', mach' ich daraus ein Buch, und verfilmen kann man es immer noch. Dann hab' ich meinen ersten Krimi geschrieben." Der kleine Verlag, in dem der Paperback-Reißer erscheinen soll, geht aber noch vor der Veröffentlichung pleite. Beim unkonventionellen Frankfurter Eichborn Verlag stößt der literarische Quereinsteiger dann doch auf Interesse. Also setzt sich Lauscher hin und schreibt ein neues Buch: „Hackers Braut"*). Natürlich wieder ein Krimi. „Das Motiv, die Welt aus dem Blickpunkt des Kriminalistischen zu betrachten, ist ein Mittel, die Extreme in einer Gesellschaft aufzuzeigen. Die liegen immer dort, wo die Gewalt stattfindet", meint Lauscher, der sich bereits in seinen Filmen mit Vorliebe diesem Genre widmete.
„Hackers Braut", vor genau einem Jahr erschienen, ist das erfrischende und seltene Beispiel eines heimischen Krimis, in dem Wien nicht gemütlicher Tummelplatz für Taubenvergifter und Beschwichtigungshofräte, sondern Mittelpunkt eines Wirtschafts- und Geheimdienstkomplotts internationalen Zuschnitts ist. Die Hauptfigur ist ein Computerspezialist, dem ein kostspieliger Systemabsturz in der Wiener Filiale seines Weltkonzerns sowie einige mysteriöse Morde in die Schuhe geschoben werden. Gestorben wird in „Hackers Braut" viel und phantasievoll. Für die zehn Leichen des Buches hat sich der Autor ausgesucht unangenehme Tötungsarten einfallen lassen. Jeder hegt in bestimmten Phasen Vernichtungsideen, will jemanden umbringen, aufschneiden, steinigen, was weiß ich. Man soll sich klar sein, daß man diese dunklen Seiten auch alle hat, das macht uns erst zu ganzen Menschen. Es ist sicher besser, ich denke an meine Aggression und kann lernen, damit umzugehen, als ich kann es nicht und muß sie ausleben."
Lauscher versucht, in seinen Krimis über das reine „Wer ist der Mörder?"-Psycho-Puzzlespiel hinauszugehen und Spiegel aktueller Strömungen zu sein. Deswegen kommt seinem hochgradig gestressten Computerhacker, der das moderne Denken in Geschwindigkeit und Wachstum verinnerlicht hat, immer wieder sein Unterbewußtsein in die Quere: „Als Gegenpol hab' ich das archaische Denken gesetzt, das mit der Natur anders umgehen will. Es soll nicht ganz klar sein: Ist das jetzt Realität, oder ist es schon eine Ebene, in die er abgedriftet ist - sein schlechtes Gewissen, sein Über-Ich. Am Ende ist er ein anderer geworden. Das ist ein wichtiger Aspekt, daß ein Fachmann sich abnabelt von der Mainstream-Technologie - es kann nicht genug Kritiker geben."
Die gut 400 Seiten voll Spannung, Sex and Crime blieben in seiner Heimat indes weitgehend unbemerkt. Möglicherweise war die Zeit dafür noch nicht reif: „Das Krimigenre hat hierzulande noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen", ortet der Neo-Autor und hofft, daß die in Deutschland bereits spürbare Krimiwelle endlich auch ins gemütliche Österreich überschwappen möge. Der Zeit voraus war Lauscher auch mit seinem nächsten Krimiprojekt, das allerdings vorläufig nur in seinem Kopf existiert: Ein Politthriller rund um den religiösen Fundamentalismus als der neuen Macht des Bösen. Als vor kurzem eine Bombe unter dem New Yorker World Trade Center detonierte und die Täter in islamischen Kreisen geortet wurden, konnte er sich daher eines gewissen Gefühls nicht erwehren, daß sich die Realität nun endlich anschicke, ihn einzuholen.
Wenn Lauschers prophetische Gaben auch auf seinen soeben herausgekommenen Zweitring zutreffen, dann steht den Wienern noch einiges bevor: Im Roman „Ein Herr aus dem Jenseits"*) streikt nämlich der Tod ausgerechnet in Wien, der Welthauptstadt der Todessehnsucht. Oskar Emanuel Kapsaski hat von seiner nervenzerrüttenden Tätigkeit als „Schlepper", der die Menschen in ihrem letzten Stündlein ins Jenseits begleitet, genug. Durchschnittlich 55 Einsätze pro Tag haben ihn nach fünfzig Dienstjahren mürbe gemacht. Nun will sich der Tod von Wien wieder weltlichen Genüssen zuwenden. Durch sein Aussteigen, das den Wienern einen Hauch von Unsterblichkeit verleiht, wird er zum Medienstar. Doch die Verheißung des ewigen Lebens wandelt sich bald zur gefährlichen Drohung - die Stimmung schlägt um, und Kapsaski wird zum Staatsfeind Nummer
mer eins. Lauscher vermischt Krimielemente mit Gesellschaftskritik und würzt mit einer guten Portion Satire. Den Zeitgeist scheint er jedenfalls getroffen zu haben: „Ein Herr aus dem Jenseits" ist bereits wenige Tage nach Erscheinen auf den Bestsellerlisten zu finden.
Auf das Thema kam Lauscher über die Erinnerung an seine Eltern, die seit einigen Jahren tot sind. „Ich habe in meiner Familie viel über das Sterben gehört. Meine Eltern haben mich früh ins KZ mitgenommen - das kann man als Bub ja überhaupt nicht verarbeiten. Das trägt man als ge-spenstisches Bild mit sich herum." Die ganz und gar unglaubliche Geschichte seiner Eltern möchte Lauscher daher zum Gegenstand seines nächsten, in Entstehung begriffenen Buches („Der versiegelte Himmel") machen: Als sie 1938 heiraten wollten, kam ihnen der Anschluß dazwischen. Beide wurden sofort verhaftet und verschleppt, überlebten jedoch Hitlers Konzentrationslager - die Mutter in Ravensbrück, der Vater in Dachau und Mauthausen. Und so fanden sie einander nach dem Krieg glücklich wieder, holten die verhinderte Heirat nach und setzten 1947 den kleinen Ernst Josef ins Leben.
Demnächst könnte die obligate dreijährige Wartezeit auf den nächsten Film von Ernst Josef Lauscher zu Ende gehen. Projekte gibt es genug: Sein mit dem Carl-Meyer-Preis ausgezeichnetes Drehbuch „Alaska brennt" (Lauscher-Basisinfo: „Mann gewinnt 16 Millionen. Frau wirft Los in Müll. Los gerät auf Müllberg. Held sucht Los ein Jahr im Müll.") ist in den zuständigen Förderungsgremien ebenso im Rennen wie ein Fernseh-Treatment um die (reale) Geschichte einer Kinderpsychiaterin der Ersten Republik, die ihren Neffen analysierte und von diesem ermordet wurde („Die ehrenwerte Frau H."). Von Spaß am Regieführen kann allerdings keine Rede sein: „Die einzigen wirklichen Anreize dabei sind Gefallsucht und das Gefühl der Macht, wenn man 50 Leute den ganzen Tag herumschicken kann." Deshalb sucht er den Spaß vor der Kamera und besetzt sich gerne selbst. Vorzugsweise als Reporter oder Regisseur: „Spielen ist so viel lustiger für mich als Regieführen, aber ich bin sicher kein Schauspieler, der alles spielen kann. Ich bin ein bestimmter Typ, ein verquerer Intellektueller, ein bisserl ein Strange guy - einer, der bös und blöd sein kann." Aus den verbissen geführten Grabenkämpfen rund um den österreichischen Film und seine Festivals will er sich heraushalten („Da geht's ja zu wie im Kindergarten!"), und die immer größere Domi-nanz des amerikanischen Mainstream-Kinos und der rein auf Zuschauerzahlen ausgerichteten Fernsehkanäle wirkt auf ihn ernüchternd: „Der Welt ein Loch schlagen - das ist heute definitiv nicht mehr möglich!"
EN HERR AUS DEM JENSEITS
Rhein-Neckar Zeitung 1.11.93
Ewiges Leben, o Graus
Ernst Josef Lauschers Roman „Ein Herr aus dem Jenseits" / Von Sven Boedecker
Wenn sich in Wien der dichte, kalte Frühlingsnebel über die Straßen und Brücken senkt, die Straßenbeleuchtung und den hörbaren Atem der Stadt nahezu erstickt, ist in dieser unwirtlichen Kulisse alles möglich. Das jedenfalls muß der gescheiterte Maler und freie Werbegrafiker Lukas Roskowitz in Ernst Josef Lauschers neuem Roman erfahren.
Vom Leben Abschied genommen, genommen hat (Führerschein, Ausweispapiere und Autoschlüssel sinken bereits nieder auf den Grund der Donau), widerfährt dem Lebensmüden etwas höchst Unwahrscheinliches: Ein .Herr aus dem Jenseits" spricht ihn an: „Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, Kapsaski ist mein Name - Oskar Emanuel Kapsaski."
Langsam nur, nach und nach erfahren wir, was es mit dem freundlichen älteren Herrn auf sich hat. Kapsaski ist ein „Schlepper" - einer, der die Sterbend^ auf ihrem Weg aus dieser in die nächste Welt begleitet, und sein Bezirk umfaßt den kompletten Stadtbereich Wien.
Anno '42, vor 50 Jahren, ist der reale Kapsaski, der seine jüdische Frau an die Nazis verriet, gestorben, und seitdem existiert er als Replikant, als Reproduktion seines alten Ich". Wie er müssen Hunderte anderer Ehemaliger Buße tun" und als Teil einer weltumspannenden Organisation (wie etwa IBM, Union Carbide oder Exxon") den Tod verwaltungstechnisch organisieren. Allerdings ist er nicht gekommen, um Lukas abzuholen. Ganz im Gegenteil: Kapsaski will den Kram hin-schmeißen, und sein Aussteigertum bringt ganz Wien unverhofft die Unsterblichkeit.
Den Tod als Ordnungsprinzip menschlicher Existenz abschaffen zu wollen, kann natürlich nicht ohne Folgen bleiben, denn allein die Statistik Wiens weist täglich 55 Menschen aus, die der Hilfe eines Schleppers bedürfen. Innerhalb weniger Tage und nach nur kurzer Anfangseuphorie steht die ganze Stadt köpf: Man stellte Berechnungen an, was jene Unsterblichkeit eigentlich kosten würde, schätzte die daraus resultierenden! höheren Steuern, die wiederum in steigenden Benzin-, Alkohol- und Zigarettenpreisen ihren Niederschlag finden würden, und kam zu dem Schluß, daß sich das Sterben allemal auszahlte..."
Als Lukas den Replikanten davon überzeugen kann, die ganze Angelegenheit werbewirksam zu vermarkten (TV-Interviews, öffentliche Reden, die Erinnerungen des Schleppers als Bestseller), tritt eine Vielzahl von Gegenkräften auf den Plan, um die Ruhestörer aus dem Weg zu räumen: Schlepperkollegen, Teile der Staatsregierung, eine rechtsradikale Bewegung und prügelnde Bürgerhorde Die Anführer wollen dennoch nicht von ihrem Tun ablassen, wodurch sich die Entwicklung weiter zuspitzt. Um i dem zunehmenden Chaos Einhalt zu gebieten, muß man sich schließlich von .ganz: oben" in die Donaustadt bemühen und die Dinge höchstselbst in die Hand nehmen. Die Abgesandten aus dem Jenseits regeln die Sache schließlich unter sich, nicht ohne eine erhebliche, dafür aber amüsante Verwirrung zu hinterlassen.
Dem 46jährigen Ernst Josef Lauscher, der im vergangenen Jahr mit dem erstklassigen Krimi .Hackers Braut" von sich reden machte, ist ein charmantes Stück Literatur geglückt. Leichtfüßig und verführerisch kommt sein Roman daher, witzig und sexy obendrein.
ERNST JOSEF LAUSCHER. Ein Herr aus dem Jenseits. Eichbom Verlag, Frankfurt a. M. 1993, 232 S., DM 28
Neue Presse, 6.5.93
Oskar Emanuel Kapsaski steigt nach 50 Dienstjahren aus: das „Robinson"-Syndrom, reif für die Insel. Der Ausstieg beschert dem Wien, dem Handlungsort dieses Romans, ganz besondere Probleme: Unsterblichkeit und Anarchie. Oskar Emanuel Kapsaski ist der Tod in Ernst Josef Lauschers „Ein Herr aus dem Jenseits".
Der Mann ist ein „Schlepper", sorgt bei den Verstorbenen der Donaustadt für den ordnungsgemäßen Heimgang. Er gehört zu einer weltweiten Organisation von Jenseits-Bürokraten, die das Totenreich verwalten. Eine langweilige Arbeit: Dauerdienst, kein Spaß und kein Sex, Buße für ein im Leben begangenes Unrecht. Kapsaski will nicht mehr, und ganz Wien wird unsterblich.
Die Stadt versinkt im Chaos - Unruhen brechen aus, alles bringt sich um, aber keiner stirbt. Mit Sprengstoff, Stromstößen und ekelhafteren Methoden versuchen die Wiener, die Unsterblichkeit zu überlisten - vergebens. Die Vergnügungssucht kennt keine Grenzen, die Arbeitsmoral sinkt ins
Bodenlose. Der österreichische Geheimdienst und das Jenseits-Syndikat machen Jagd auf Kapsaski, und der Untote macht Jagd auf die Frauen erfolgreich. Die Lust am „kleinen Tod" mit dem „großen Tod" packt das Fotomodell Hannah.
Lauscher gelang ein respektlos-morbider Roman, der mit Bürokraten, Politikern und anderen Autoritäten abrechnet. Eine anarchische Attacke mit Lust an Zerstörung und Leidenschaft, eine Eulenspiegelei jenseits von Tod und Leben.
as
ÖSTERREICHISCHER RUNDFUNK - LANDESSTUDIO STEIERMARK
LITERATUR UND HÖRSPIEL, BUCHBESPRECHUNG. Sendung: „STEIRISCHES LITERATURMAGAZIN“,
Samstag, 18.07 - 19.00, Programm Ö 2, Lokal, besprochen von: Dr. Heinz Hartwig
Ernst Josef Lauscher, "Ein Herr aus dem Jenseits", Eichborn
EJL hat bei Eichborn, nach seinem ersten Roman "Hackers Braut" nun in seinem zweiten Roman "Ein Herr aus dem Jenseits" ein urwiener Thema aufgegriffen und in seiner leicht locker, ironischen Art recht unterhaltsam behandelt. Ein Satz von Andre Heller illus-triert die Ausgangssituation von Lauschers Roman am besten. Dort heißt es:
"Es war einer jener seltenen Augenblicke, in denen man alles für möglich hält und selbst die Nachricht von der Abschaffung des Todes einen nicht wirklich erstaunen könnte."
Und genau das passiert. Der besagte Herr aus dem Jenseits, dessen Hauptaufgabe es war, in Wien die zum Sterben bestimmten Menschen abzuholen, beschließt, aus seinem Job auszusteigen und so pas-siert, was passieren muß: In Wien stirbt keiner mehr und das Chaos auf dieser Welt und natürlich auf der anderen Welt ist perfekt. Oskar Emanuel Kapsaski, so heißt der Tod von Wien, ist nach 50 Jahren einfach amtsmüde. Er kommt gerade rechtzeitig, um den Graphiker Lukas Roskowitz von seinem Selbstmord abzuhalten. Roskowitz will sich von einer Donaubrücke ins Jenseits stürzen, nicht nur weil er betrunken ist, sondern auch, weil ihn seine Geliebte verlassen hat. Kapsaski rettet ihn und quartiert sich anschließend bei ihm ein: Und damit beginnt die unglaubliche Geschichte. Roskowitz und Kapsaski werden ein Team und beschließen sich zu vermarkten. Der Tod von Wien ist bereit seine Memoiren herauszugeben. Der Gedanke an die Unsterblichkeit fasziniert nicht nur Lukas Roskowitz .
»Unsterblichkeit? Was hieß das eigentlich, überlegte Lukas und blieb verschlafen am Schaufenster der Bäckerei stehen. Es hieß vor allem unendlich viel Zeit zu haben. Die gegenwärtige, mit Hilfe von Computern auf die Spitze getriebene Hetzerei würde ein Ende haben. Der Silikon-Schock, jene wahnsinnige Beschleunigung der Arbeit durch elektronische Datenverarbeitung wäre lächerlich. Man könnte sich wieder auf den natürlichen und langsamen Rhythmus der Natur einlassen - sich die Dinge in Ruhe entwickeln lassen, statt ständig hinter ihnen her zu sein . . . »Die Zeit würde kein Reptil mehr sein«, wie Großmutter einmal gemeint hatte, »kein Tier, das einen auffraß und in dessen Magen man unverdaut ausharren mußte, halblebend, halbtot . . . «
Man würde zum Beispiel endlos lange vor jenem Schaufenster hier stehenbleiben -, die Brezel, Weckerln und Salzstangen betrachten können, die ohnehin schon eine halbe Ewigkeit - weil aus Kunststoff gefertigt dem Betrachter als frisch dargeboten wurden. Die totale Verfügbarkeit der Zeit, was für eine pittoreske Idee. Hunderttausend und eine Nacht nicht enden wollender Gespräche. Projekte von gigantischem Ausmaß könnten in Angriff genommen werden - ohne Eile. Man hätte wohl die Zeit, zehn Sprachen zu lernen, drei, vier – wie viele Studien zu absolvieren? Hätte genügende viele »Zeiteinheiten« parat, sich mehrmals in aller Welt umzusehen, ja es gäbe absolut nichts, was sich einem Kennenlernen entziehen würde...«
Die Idee, die Memoiren herauszugeben, bringt natürlich eine be-trächtliche Unruhe mit sich, weil Kapsaski alle Todesfälle der letzten 50 Jahre registriert hat und daher auch Bescheid über solche Todesfälle weiß, die nicht ganz korrekt waren. Dazu kommt noch, daß Kapsaski auch zum Magnet für manche Frauen wird. Aus all diesen Ingredienzien braut EJL einen witzigen, leicht und amüsant zu lesenden Roman zusammen, der manche Schwächen, manche Tücken von Wien und der Wiener ausplaudert und bloß-stellt. Er tut dies in einer nicht allzu bösartigen Art und Weise. Trotzdem sitzt ihm der Schalk schön kräftig im Nacken.
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 7.5.93
Der Tod kommt nicht mehr
Ernst Josef Lauschers »Ein Herr aus dem Jenseits« von ESTHER KNORR-ANDERS
Aller Morbidität zum Trotz werden die Wiener von Unsterblichkeit heimgesucht.
Ein Roman mit schwarzem Humor
Es ist vielleicht nicht jedermann, aber doch vielen bekannt, daß die Wiener ins Auge fallende Bestattungen schätzen. Schönheitstrunken genießen sie das Dekor, das zur Aufbahrung eines Verblichenen unabdingbar notwendig ist. Beim Abschiednehmen in kleinerer oder größerer Trauergeselligkeit, beim Begräbnis selbst, erwarten sie schauervoll :. Feierliches für Herz und Gemüt. Demzufolge folge wäre schon ein einziger Wiener, der nicht bestattet werden kann, weil er nicht stirbt, eine Provokation. Kaum auszudenken, wenn alle Wiener sich dem Sterben entzögen. Ohne Beerdigungsfeiern wäre die Lebensfreude dahin.
Hiervon unbeeindruckt verfolgt der österreichische Autor, Schauspieler und Regisseur Ernst Josef Lauscher (im lebensfrischen Alter von 46 Jahren) genau diesen phantastischen Tatbestand in seinem neuen Roman Ein Herr aus dem Jenseits. An Hand detailliert geschilderter Einzelfälle verdeutlicht Lauscher, wie schwierig es ist, die Wiener von der Tatsache zu überzeugen, daß niemand der Ihren, kein einziger Einwohner der Metropole, von dieser j Welt in ein wie auch immer geartetes anderes Dasein wechselt. Der Autor beginnt mit dem Graphiker Lukas Roskowitz. Aus unerfüllter Liebe lebensmüde geworden, ist er gerade im Begriff, von der Brücke in die Donau zu springen, als die Stimme eines seriösen, älteren, sehr eleganten Mannes das Letztunternehmen bremst.
Aus dem dichten Nebel dieser trostlosen Nacht tritt der „Herr aus dem Jenseits“. Er überredet Roskowitz, gemeinsam ein nahe gelegenes Café aufzusuchen. Dort erklärt der Herr, daß er Oskar Emanuel Kapsaski heiße und ihn, Roskowitz, nur deshalb vom Sprung in die Donau abgehalten habe, weil er dabei sei, seine reguläre Tätigkeit, zu der er im Jenseits verdammt worden war, aufzugeben. Er, Oskar Emanuel Kapsaski, sei nämlich tot. Bereits vor fünfzig Jahren hätte man ihn auf einem Wiener Friedhof beerdigt. Roskowitz, wer wollte es ihm verübeln, jagen Schauer über den Rücken. Entsetzt verschluckt er sich an einem Bissen Eier-Sandwich.
Liebenswürdig erläutert Kapsaski ferner, daß er als Replikant, als hervorragende Kopie seiner selbst, im jenseitigen, sozusagen höheren Dienst der Organisation eingestellt wurde. Als Schlepper sei er dafür zuständig, die Wiener in ihren Finalminuten ordnungsgemäß von hier nach drüben abzuberufen. Entgeistert fragt Lukas den Kapsaski, warum er denn diesen interessanten Job aufkündigen wolle, da könnten für ihn doch Schwierigkeiten mit den Überirdischen entstehen. Die Beantwortung dieser Fragen und weitere Enthüllungen möge der Leser dem fraglos schwarz-humorigen Buch entnehmen.
Es sei nur soviel sei verraten: Kein Wiener stirbt mehr. Eine schöne junge Frau, die bei einem Verkehrsunfall unter einen Großlaster geriet, wird in der Klinik zusammengeflickt und lebt wider Erwarten höchst vital auf. Auch Roskowitz' Großmutter, von Todesschwäche gezeichnet, meldet sich plötzlich als gekräftigte, äußerst rührige Seniorin. Politiker und Polizei beobachten mit zunehmendem Grauen die Unsterblichkeit der Wiener. Die Arbeitslosigkeit steigert sich schon aus dem Grunde, weil Krankenhäuser, Unfallstationen von Patienten entleert bleiben. So etwas spricht sich herum: Die Stadt wird von Fremden, die verständlicherweise auch nicht sterben wollen, überströmt. Daraufhin verändert sich die Mentalität der Wiener katastrophal. Den Hauptprotagonisten Roskowitz und Kapsaski und erst recht den Lesern stehen die Haare zu Berge. Mit einem dramaturgisch gekonnten Kniff endet das Unsterblichkeitsspektakel, die Wiener können aufatmen.
Lauschers Roman, der zweite nach „Hackers Braut", erhält seine Reize durch die krasse Gegen-überstellung von realistischen und wunderbegeisterten Menschentypen, des weiteren durch amü-sante Handlungskonstruktionen und schließlich durch die Schilderung des heutigen Wiener Milieus.
EXPRESS, Wien
„Wien und der Tod“. Präsentiert von Werner Aschemann
Die äußere Erscheinung "des Herrn im fortgeschrittenen Alter ist von unauffälliger Eleganz: Dunkles Haar, an den1 Schläfen leicht angegraut. Den Anzug, beste Qualität, handgenäht die Schuhe. Der Mann trinkt Kamillentee und raucht Davidoff.
Er heißt Kapsaski und ist der Tod. Wien ist sein Wirkungskreis. Vielmehr, er war es, denn Kapsaski beschließt, seinen Job an den Nagel zu hängen, auszusteigen. Er hat sich un-sterblich verliebt!
Ernst Josef Lauschers Roman „Ein Herr aus dem Jenseits" ist eine mit lustvollem Leben gespickte Satire über den Jod, der abgeschafft wird. In der Walzerstadt bricht Chaos aus: Friedhöfe bleiben leer, Erben sind sauer über das unerwartete Weiterleben todkranker Verwandter, Mutige stürzen sich; vom Stephansdom, Wien wird das Mekka hoffnungsfroher Siecher aus aller Welt. Die Staatskrise ist; da. Dieser vergnüglich böse Roman wirkt wie eine geistige, Vitaminspritze. (Eichhorn, 240 S., 28 DM)
COLIBRI
MORBIDE SATIRE
Auf Leben und Tod
Die alte Redensart vom Tod, der wohl ein Bürger der hinlänglich als morbide bekannten Stadt Wien sein müsse, mag nicht unbedingt zutreffen. Wohl aber ist Wien eine recht profan als Schlepper betitelte Gestalt zugeteilt, die die Sterblichen in das Reich des Todes zu überführen hat. Was aber, wenn dieser Schlepper seinen göttlichen Auftrag verweigert und in Streik tritt?
Lukas Roskowitz und Oskar E. Kapsaski haben ihr Leben satt. Der Selbstmordkandidat und der Schlepper a. D. begegnen sich plangemäß zu Roskowitz' beabsichtigtem Sprung ins Blau der Donau. Anstatt jedoch die gemeinsame Reise gen Himmel anzutreten, überredet Kapsaski, ein inzwischen geläuterter Betrüger und Nazi-Kollaborateur, der seit seinem eigenen Tod 1942 zum Wandeln zwischen den Welten verdammt ist, den Todessehnsüchtigen ... zu einem Barbesuch. So wird Roskowitz zu Oskar Emanuels Vertrautem und vermarktet fortan auf originelle Weise die Unsterblichkeit, die mit Kapsaskis Streik in Wien Einzug gehalten hat. Der Wiener Autor Ernst Josef Lauscher beschreibt voller Witz und mit viel Gefühl für die nötigen Portionen Dramatik und Slapstick, Sex und Pyrotechnik die satirische und die zum Glück „zeigefingerlose“ Geschichte von der Demontage eines Menschheitstraums: Unsterblichkeit ist ja ganz schön und gut. aber was halten die Bestattungsinstitute davon? Und was geschieht mit all den Erbtanten, deren Zeitiges die lieben Anverwandten schon längst gesegnet hatten? Schnell bildet sich eine Bürgerwehr gegen die Urheber der quälend langlebigen Mißstände. Blickte ein kleines dunkelhäutiges Mädchen - ganz dea ex machina - nicht zum rechten Moment auf die Walzerstadt herab, hätte keine Wiener G'schichte mehr enden können mit den Worten: Und wenn sie nicht gestorben sind...
Andreas Lammers
Magazin 12.3.93
Verdrängte Todessehnsucht
Ernst Josef Lauscher „Ein Herr aus dem Jenseits“, Roman, Eichborn Verlag, 240 Sehen, 218,40 Schilling.
Wenn zu Beginn der Nebel „wie klebriger Brei in den Straßen" liegt, kündigen sich Klischees an - der Einstieg aber trügt. „Verspielt wie eine Horde ungezogener Kinder legte" bald darauf „ein herber Westwind durch die Gassen" der „morbidesten Metropole des Kontinents" 'Verlagstext) - der zerstreut nicht nur die angedeuteten Bedenken, der wirbelt'nicht nur Metaphern höchster (literarischer) Potenz heran, der bringt auch eine Story, die es in sich hat und die auf einen „neuen" Autor aufmerksam macht, der es ebenso „in sich" hat. Nach seinem zumindest bemerkenswerten Romanerstling bei Eichborn, „Hackers Braut", übererfüllt der 1947 geborene Ernst Josef Lauscher mit „Ein Herr aus dem Jenseits" literarische Versprechen. Die originelle Grundidee: Die Erde ist auf-geteilt in Boten (eine Art „Fremdenführer, Wegweiser aus dem Jenseits/einem Zwischenreich), die Sterbenden von dieser in eine angeblich bessere Welt helfen. Ohne diese Führer geht gar nichts, jeder, der seine Seele aushaucht, braucht diese Wegweiser. Der für Wien zuständige „Herr aus dem Jenseits" hat - aus vielerlei schlüssigen Gründen - seinen Job satt: er streikt. Niemand stirbt mehr - die Komplikationen, nicht nur für enttäuschte Erben, häufen sich; was siech und marode und ohnehin schon halbtot ist und es sich leisten-kann, zieht aus aller Welt nach Wien - hier gesundet man nicht nur, hier kann man einfach nicht mehr sterben, nicht einmal, wenn
man sich vor dem Stephansdom ein Messer ins Herz rammt... der enorme Medienwirbel bietet Lauscher Gelegenheit, seine Erfahrungen auf diesem Gebiet virtuos einzusetzen, die Angst vor ungeahnten Folgen innerhalb sämtlicher „offiziellen Stellen" nützt der Autor zur kräftiger Satire am Ist-Zustand... „Ein Herr aus dem Jenseits" von Ernst Josef Lauscher reiht sich würdig in die reiche Tradition phantastischer, von verdrängter Todessehnsucht geprägter, auch an dieser spezifischen Eigenheit weidender, durch sie erst möglicher Literatur der Stadt, von der viele behaupten, nur sie hätte einen Freud hervorbringen können, ja: müssen. Lauscher ist mit diesem Buch der legitime literarische Erbe Herzmanovsky-Orlandos.
Ernst Petz
Kultur Lift, Stuttgart
Neue Bücher 3/93
Unsterblichnsterblich
Ernst Josef Lauschen „Ein Herr aus dem Jenseits“
Eichborn Verlag, Frankfurt a.M., 1993,28DM
Die Idee hat was: Stellen Sie sich vor, in einer Stadt, Wien zum Beispiel, stirbt monatelang kein Mensch mehr, weil derjenige, der die Toten sonst ins Jenseits begleitet, keine Lust mehr auf seinen Job hat. "Unsterblichkeit war bloß eine Metapher, eine Erfindung jener Menschen, Grenzen und Endlichkeiten zu überschreiten, wie alles im Leben überschritten werden sollte..." Dieses Szenario gestaltet Ernst Josef Lauscher in "Ein Herr aus dem Jenseits" höchst genußvoll aus, mit soviel Phantasie und Raffinesse, da stockt der Atem. Der personifizierte Tod heißt Oskar und lebt seit 50 Jahren nicht mehr. Seine 'von oben' instruierte Aufgabe ist die Strafe für die zu Lebzeiten begangenen Untaten. Dort war er in der Nazizeit ein Opportunist und Verräter.
Die Tatsache, daß in Wien niemand mehr stirbt, versetzt zunächst nur die Fachwelt in Aufregung, nachher sorgt es für politische Unruhen, bis hin zum Staatsnotstand. Oskar hat Freunde gefunden wie Lukas, der die Memoiren des Wiener Todes vermarktet. Doch die Bevölkerung und - hier überzieht Lauscher den Bogen- die rechtsradikalen Populisten, bekämpfen das unendliche Leben in Person von Oskar. Auch die Organisation reagiert: Doch der liebe Gott nimmt das Problem lieber selbst in die Hand. Das Ende bleibt leider sehr konstruiert: Einfach die Zeitmaschine wieder zurückzudrehen, ist banal.
Lauscher schafft klare Bilder, wählt klare Worte, lässt der Phantasie des Lesers noch so viele Freiräume, daß die Spannung nicht weicht. Unser Tip: Aki Kaurismäki macht einen geheimnisvoll-mystischen Streifen draus.
Arne Braun